Teil 3/3: Es ging weiter in der Routine, doch es wurde lockerer. Wie gewohnt standen wir jeden Tag um 5 Uhr auf und hatten erst um 22 Uhr frei. Am Wochenende sind wir mit Bussen zu Stellen gefahren, wo Krieg zwischen der Türkei und Griechenland gewesen war.
Uns wurde alles genau erklärt, so dass wir Kriegsstrategien verstehen konnten. Wir haben auch im Museum die Uniformen, Ausrüstungen, Waffen und andere Dinge von damals gesehen. Auch der Major war mitgekommen, aber in Zivil, und ich hatte ihn nicht erkannt.
Da war ein Ausbilder, der uns Soldaten die damaligen Schlachten genau erklärte, und es kam zu einem Konflikt zwischen dem Major und dem Ausbilder. Wie gesagt, wir waren alle in Zivil und ich dachte, der Major wäre ein Auslandssoldat wie wir alle.
Der Konflikt wurde nicht besser, die Beiden begannen, sich heftig zu streiten. Ich konnte es nicht mehr still aushalten und sagte: „Hey Du! Das kannst Du nicht tun! Ich lasse nicht zu, dass Du unseren Ausbilder so angreifst!“ Der Major in Zivil fragte nach meinem Namen. Mehrmals fragte er mich, wer ich bin. Ich nannte meinen Namen und betonte noch einmal, dass er so nicht mit meinem Ausbilder reden könne.
Da sagte er sehr entschlossen: „Und ich bin Major“. Natürlich entschuldigte ich mich sofort – ich war völlig fertig, denn es ist undenkbar, so mit einem Major zu sprechen! Wegen einer Beleidigung eines Majors kann man sogar ins Militärgefängnis kommen. Auf der Rückfahrt gratulierten mir meine Kameraden, aber ich wollte davon nichts hören. Ich widersprach ihnen: „Man darf kein Gesetz brechen. Mein Vater hätte mir für diese Beleidigung seine fünf Finger im Gesicht hinterlassen. Nun habe ich gegen ein Gesetz verstoßen, auch wenn ich es nicht wusste, ist das keine Entschuldigung“.
Doch sie gratulierten mir weiter und meinten, ich wäre jemand, mit dem man in den Krieg ziehen könne. Ich würde zu meinen Kameraden halten und zu meinen Vorgesetzten.
Der Major war in einem eigenen Auto gefahren, mit seinen Bodyguards und seiner Ehefrau. Beim nächsten Stopp kam er auf mich zu. Ich bereitete mich darauf vor, nun ins Militärgefängnis zu müssen, mindestens 10 Tage.
Er kam auf mich zu und sagte: „Ich heiße auch Kemal“ und legte seine Hand kurz auf meinen Bauch. Da wusste ich, dass alles in Ordnung war. Als wir wieder in der Kaserne waren, kamen schon die Zurückgebliebenen auf mich zu und gratulierten mir. Doch ich blieb dabei: Ich hätte das Gesetz nicht brechen dürfen und ich bin einfach nur froh, dass mir der Major vergeben hat.
Es kam der letzte Tag: Jeder, der etwas Besonderes kann, sollte einen Schritt nach vorn treten. Ich hatte das Wort Taekwondo gehört und machte einen Schritt nach vorn. Und so kam es, dass ich auf einer Bühne vor 2.400 Menschen etwa 10 Minuten lang etwas vorspielen konnte. Ich habe Holz mit Fußübungen zerschlagen und andere Dinge gezeigt – und am Schluss sind alle 2.400 Männer aufgestanden und haben mit applaudiert.
Am letzten Tag hatte ich mit Uniform und Stiefeln geschlafen, da mir der Abschied so schwer fiel. Die 30 Tage kamen mir vor wie drei Tage, ich wollte gar nicht loslassen. Ich hatte nachts mit Tränen in den Augen dagelegen und kaum geschlafen. Am nächsten Tag, wo jeder schon gefrühstückt hatte, sich seine Zivilkleidung schon angezogen hatte, war ich noch immer im Soldatenanzug. Meine Vorgesetzten fragten mich, was denn los sei? Und in Zeitlupe habe ich mich dann doch umgezogen. Ich habe beim Abschied noch einmal zurückgeblickt und gewunken.
Beim Militär haben sie mir viel von Atatürk erzählt und das hat mich tief beeindruckt. Was genau habe ich gelernt beim Militär: Wenn man beim Militär war, wird man häuslich, schätzt Frauen höher ein. Unsere Ausbilder haben uns immer eingeprägt: „Macht uns keine Schande, benehmt Euch dort, wo Ihr jetzt lebt, egal in welchem Land“. Deutschland war besonders hoch angesehen: „Wir Türken hatten immer eine gute Beziehung zu Deutschland, wir schätzen die Deutschen sehr“.
Wenn man beim Militär war, ist man für den Frieden. Soldaten sind die Allerletzten, die für den Krieg sind. Sie sind für den schlimmsten Fall vorbereitet – aber sie wollen keinen Krieg. Vorbereitet sein ja – Krieg nein.
Kapitel 4:
Teil 1:“Unsterblicher Soldat” – und Kemal Arkin
Teil 2:Und mein Geist lernte fliegen – sah hinunter auf Kemal Arkin
Teil 3:Kein Soldat will den Krieg – weiss Kemal Arkin
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